Reza N. – Lernen als Lebenskonzept

Reza N. kam als Erwachsener nach Deutschland. 1988 im Iran geboren, absolvierte er das Gymnasium und danach erfolgreich ein Studium der Werkstofftechnik an der Universität. In seinem Heimatland Iran zu leben, war irgendwann für ihn aus politischen und religiösen Gründen nicht mehr tragbar. So machte sich Reza auf den beschwerlichen Weg in ein freieres Leben. Das ist immer eine sehr schwere Entscheidung, denn es bedeutet, Familie und Freunde zu verlassen, seine Sprache zu verlieren und in eine neue, völlig fremde Welt zu gehen, ohne ein Netzwerk und ohne die Sicherheit des Erfolgs. Und es bedeutet, mindestens die nächsten Jahre mit Lernen zu verbringen.

Im November 2019 erreichte Reza Deutschland und im Dezember schließlich Lübeck. Sein erster Spaziergang führte ihn auf den Lübecker Weihnachtsmarkt, was ihm sicher einen ungewöhnlichen ersten Einblick in seine neue Lebensumgebung vermittelte.

Ein Neuanfang ist immer schwierig, aber Reza musste sich dann zusätzlich mit der Pandemie abfinden, die bald nach ihm Deutschland und Lübeck erreichte. Für Neuankömmlinge war es besonders schwer, unter den Bedingungen des Lockdowns zu leben.

Es bedeutete neben der sonstigen Isolation, dass keine Sprachkurse stattfanden. Ein halbes Jahr lang musste er sich mit nur 3 Stunden online – Unterricht pro Woche zufriedengeben, sicher nicht der beste Einstieg in eine für ihn völlig neue Sprache. Gleich zu Beginn jedoch bekam er in der St. Lorenz Kirche im Steinrader Weg Hilfe und Unterstützung.

Durch eine Bekannte kam er in Kontakt mit den SonntagsDialogen e.V., die auch während der Pandemie mit ihrem Programm von Sprachunterstützungskursen weitermachten, teils online, teils im Sommer im Freien. Das hat ihm sehr geholfen, 2023 konnte er schließlich mit der Vorbereitung auf die B 2- Prüfung anfangen. Dieses Zertifikat ist unerlässlich für den weiteren Ausbildungsweg.

Die SonntagsDialoge boten aber nicht nur Sprachunterstützung, sondern auch soziale Kontakte mit Deutschen und Menschen aus vielen Ländern. Mit ihrer Hilfe fand er 2023 für ein halbes Jahr einen Minijob im Willy – Brandt – Haus. Gleichzeitig half Reza getreu dem Motto der SonntagsDialoge „Geben und Nehmen“ im Verein, wo er nur konnte. Er war Beisitzer im Vorstand und unermüdlicher Helfer in Büro und Fahrradverleih. Seine Ehrenamtskarte des Landes Schleswig – Holstein trägt er immer bei sich, stolz auf sein Engagement in der und für die neue Heimat.

Im Büro des Vereins

2023 schließlich begann er den Rückweg in sein Berufsfeld, als er ein Praktikum in einer Hamburger Firma fand, die auf der Suche nach Werkstoffprüfern waren. In Deutschland ist das ein Lehrberuf und nach monatelangem bürokratischen Hin- und Her und mit Hilfe der Praktikumsfirma bekam er einen Platz in einer Weiterbildungsmaßnahme in Essen. Wohnen konnte er dort im GenerationenKult – Haus von Reinhard Wiesemann, mit dessen Unperfekthaus die SonntagsDialoge schon länger verbunden sind. Er absolvierte den 6-monatigen Kurs sehr erfolgreich und bestand alle 14 notwendigen Prüfungen auf Anhieb, da ihm sein Studium der Werkzeugtechnik eine gute Grundlage verschafft hatte.

Inzwischen ist er bei der Hamburger Firma angestellt und geht in seinem Beruf auf. Die Firma setzt ihn zusammen mit Kollegen für Aufträge in vielen Städten und bei sehr unterschiedlichen Objekten ein, auch die Untersuchungstechniken variieren. Zum Einsatz kommen u.a. tragbare Röntgen- und Ultraschallgeräte, etwa auf einem Kreuzfahrtschiff, an einer Brücke oder in Gebäuden. Ganz wichtig ist natürlich auch die Auswertung der vor Ort erhobenen Daten. Langweilig wird Reza bei diesem Job nicht.

Damit die Prüfer immer auf der Höhe der Zeit sind, müssen sie regelmäßige Kompetenzprüfungen bestehen. Reza sieht diese ständige Wissenserweiterung als Chance und er fühlt sich sehr wohl bei diesem fortwährenden Lernen.

Eine zusätzliche Hürde muss er im ersten Dienstjahr noch nehmen: er braucht einen Führerschein, damit er sich unabhängig bewegen kann. Die Straßenverkehrsordnung ist schon für Muttersprachler nicht einfach zu verstehen. Wir drücken die Daumen, dass er auch diese Prüfung schafft.

Für seine Hobbies Tanzen und Langstreckenlauf bleibt ihm da im Moment nicht viel Zeit, da er weiterhin in Lübeck wohnt und jeden Tag mindestens 3 ½ Stunden als Pendler verbringt. Das nimmt viel Zeit in Anspruch, aber bei Festen und beim Staffel-Marathon werden die SonntagsDialoge nicht auf Reza verzichten müssen, auch wenn er eine bezahlbare Wohnung in Hamburg in Hafennähe finden sollte. Denn in Lübeck hat er viele Freunde gefunden und sich in seine deutsche Heimat eingewöhnt.

Es ist ihm sehr wichtig, an dieser Stelle allen deutschen und iranischen Freunden, Beratungsstellen und Einrichtungen, die ihn begleitet oder geholfen haben, seinen Dank auszusprechen.