Ein qualvoller Weg zu einem freien Leben
Awet wurde 1999 in Eritrea geboren. Dort ist er auch aufgewachsen und 8 Jahre in die Schule gegangen. Wie viele andere Jugendliche in Eritrea floh er mit 16 Jahren, kurz bevor er zum Zwangsdienst beim Militär eingezogen wurde.
Wie man auf jeder website über Eritrea nachlesen kann, bedeutet dieser Dienst in Eritrea ein Leben in jahre-, oft jahrzehntelanger endloser Zwangsarbeit mit niedriger Bezahlung, ohne Ausbildung und Chancen auf einen anderen Job. Geregelte Dienstzeiten gibt es nicht. Die Entlassung aus dem Dienst hängt allein vom Willen des zuständigen Kommandanten ab. Es ist also mehr als verständlich, wenn die Jugendlichen versuchen, einen sicheren Zufluchtsort zu erreichen, bevor sie eingezogen werden. Dafür nehmen sie große Anstrengungen und Gefahren auf sich.
Awet machte sich 2015 zu Fuß auf den Weg, immer in der Gefahr, noch in Eritrea gefangen genommen zu werden, was schreckliche Strafen bedeutet hätte. Er schaffte es, nach Khartoum in den Sudan zu kommen. Das nächste Ziel war die libysche Mittelmeerküste. Um dort hinzukommen, muss man die Sahara durchqueren. Nach 5 Monaten brach er von Khartoum auf. Sein Weg endete jedoch erst einmal in einem Gefängnis-Camp einer IS-Miliz am Rand der Sahara, wo er 4 Monate unter den schrecklichsten Bedingungen ausharren musste. Tägliche Schläge, kaum Essen oder Wasser. Ganz am Anfang, erzählt er, wurden sie gefragt, wer Muslim und wer Christ sei. Die Muslime kamen woanders hin, die Christen, etwa 15 Frauen und 50 junge Männer, zu denen auch Awet gehörte, blieben zusammen eingesperrt. Die Frauen wurden oft geholt, um sie zu vergewaltigen. Sie versuchten, bei den männlichen Gefangenen Schutz zu suchen. Den konnten diese aber nicht geben, sie konnten sich gegen die bewaffneten IS-Männer nicht wehren. Die Narben, körperliche und seelische, trägt Awet heute noch.
Mit den Gefangenen in diesen Lagern verdienen die Milizen Geld. Lösegelder finden über Schlepperorganisationen ihren Weg in die Camps. Nach furchtbaren 4 Monaten konnte Awet seinen Weg zur Mittelmeerküste wieder aufnehmen. Es dauerte weitere 5 Monate, bis er ein Boot fand. Eine endlose Woche auf dem Meer schloss den gefährlichen Teil seiner Flucht ab.
2016 gelangte er nach Lübeck. In Integrationskursen lernte er hier Deutsch bis zum Niveau B1, so dass er sich um eine Ausbildung bemühen konnte. Ein 2wöchiges Praktikum bei einem Fliesenlegerbetrieb gefiel ihm so sehr, dass er sich um eine Ausbildung in diesem Beruf bewarb. 2020 konnte er bei einem Betrieb seine Lehre anfangen. Das erste Jahr an der Emil-Possehl-Schule ist ihm sehr schwer gefallen, berichtet er, aber er schaffte es. Hier lernte er auch Masood R.kennen und die beiden wurden Freunde. In diesem Sommer 2023 haben sie nun beide ihre Gesellenprüfung mit ausgezeichneten Noten abgeschlossen, Awet mit einem Durchschnitt von 1.
Über Masood kam auch Awet zu den SonntagsDialogen und half beim renovieren. Als Masood eine Lektüregruppe anregte, war auch Awet dabei. Die Leseübungen bei Kaja fand er sehr nützlich für seine Prüfungen. Beide helfen weiterhin im Verein, wo sie nur können.
Awet möchte gern noch einen B2- Abschluss und einen Führerschein machen. Er will bei seinem Betrieb bleiben und Geld verdienen, auch um seine Schulden für die Lösegeldkosten irgendwann abzahlen zu können. Wir wünschen weiterhin viel Erfolg!